A night with the Doors Experience

Jeder Augenblick ist einzigartig in unserem Leben. Kein Augenblick wird genauso wie wir ihn erleben und empfinden, ein zweites Mal geschehen. Deshalb versuchen wir, diese wirklich guten Momente im Leben, möglichst lange festzuhalten; sie in unseren Köpfen und Herzen zu behalten, damit wir uns immer wieder daran erinnern können, wenn wir es wollen. Wir holen diese Augenblicke dann aus der Tiefe unserer Seele hervor wie ein schönes Foto, das man sich immer wieder gerne ansieht und zähren noch lange von ihnen ……

Zu solch einem besonderen Augenblick, zählt auch der Abend des 13. September 2003, als die Doors Experience aus Österreich, zum ersten Mal in Deutschland auftreten.

Der Schwimmbad-Musik-Club in Heidelberg, in dem die Tribute-Band, wie sie sich selbst bezeichnen, spielen, ist noch nahezu leer, als ich gegen 21h dort eintreffe.

Live habe ich die Band in Österreich vor knapp zwei Jahren das letzte Mal zu Ohr bekommen und bin demnach ein wenig nervös, wie sich unser Wiedersehen gestalten würde, wenn wir uns wahrlich und leibhaftig in wenigen Minuten gegenüber stehen. Noch immer kann ich es kaum glauben, dass dieser von allen Seiten lang herbeigesehnte Deutschland-Auftritt wirklich stattfinden wird.

Es kommt mir irgendwie surreal vor. Gleichzeitig freue ich mich wahnsinnig darauf. Vor allem aber freue ich mich auf Jason Boiler, den Leadsänger dieser Doors-Tribute-Band, zu dem ich ein besonders tiefes freundschaftliches Verhältnis hege. Nervös bin ich zudem auch deshalb, weil ich diejenige war, welche die Band dem Schwimmbad-Musik-Club durch besondere Fürsprache ans Herz gelegt und empfohlen hat. Meine Nervosität hinsichtlich dessen erweist sich allerdings im Laufe des Abends als überflüssig, zudem werde ich bereits an der Kasse von einigen Mitarbeitern des Club-Teams äußerst freundlich empfangen und auch sofort auf meine netten e-Mails angesprochen, die ich im Vorfeld aus organisatorischen Gründen an die Club-Leitung verfasst habe. Später würde ich auch noch ein nettes Gespräch mit Herrn Niedermair, einem der Geschäftsführer des Clubs haben. Der freundliche Empfang tut mir gut und ich sehe ihn als den passenden Auftakt für diesen Abend.

Während ich die wenigen Stufen hochstapfe, die zum Konzertraum führen, komme ich mir beinahe wieder wie in alten Zeiten vor und fühle mich um mindestens zehn Jahre zurückversetzt, als ich selbst im Club noch Stammgast war, und wie viele junge Menschen den Schwimmbad-Musik-Club beinahe jeden Samstag und zwischendurch auch mal unter der Woche besucht habe. Nichts scheint verändert seit damals. Oben sitzen bereits einige Doors-Anhänger, in teils recht freakigem Outfit, die erwartungsvoll dem offiziellen Einlass in den Konzertraum entgegenfiebern.Die Türe, die zum eigentlichen Geschehen des heutigen Abends führt, ist noch fest geschlossen und als ich hineingehen möchte, ruft mich die Bedienung hinter dem Tresen vorwurfsvoll zurück, es sei noch kein Einlass. Stolz verkünde ich der jungen Frau, dass ich zur Band gehöre und darf daraufhin das Allerheiligste unbehelligt passieren. In diesem Moment kommt mir Klaus, der Keyboarder der Doors Experience entgegen und wir begrüßen uns freudig.

 

Nach einem kleinen Small talk zwischen Türe und Angel, betrete ich nun endgültig den Konzertraum. Dunkelheit schlägt mir entgegen, nur die Bühne und ein kleiner Teil des hinteren Bereiches, in dem sich der Tontechniker aufhält, sind in sanftes Licht getaucht. Meine Augen fokussieren das Areal der Bühne. The Doors Experience sind da - sie sind wahrhaftig da - schießt es mir durch den Kopf. Soeben habe ich Klaus gesehen und nun erblicke ich Christoph, den Mann am Schlagzeug und die beiden, für mich neuen Bandmitglieder René und Hermann. Als ich die Doors Experience zum letzten Mal live gehört habe, da zupften andere den Bass und die Gitarre. Wir begrüßen uns alle freundlich und wechseln zwei drei Sätze, bevor ich mich ungefähr eine halbe Minute später nach rechts drehe und Jason vor mir habe, der gerade aus dem kleinen Bandaufenthaltsraum seitlich der Bühne kommt. Freudig fallen wir uns in die Arme, denn wir haben uns beinahe zwei Jahre lang nicht mehr gesehen und drücken uns fest und herzlich.

 

Zum Schluss begrüße ich noch Hans, den Tourbegleiter, Fotograf, Webmaster und gute Seele der Band, den ich bereits von Bildern her kenne und der mir in natura auch gleich äußerst sympathisch ist. Jegliche Nervosität ist mit einem Mal verfolgen. Im Zuge der Begrüßung sage ich auch noch Uwe Huhn und seiner Freundin Angelika Hallo, die extra für diesen Gig aus Halle angereist und ebenfalls schon so früh anwesend sind. Bisher kenne ich Uwe, der die erste private deutsche Doors-Web-Side ins Internet gestellt hat, nur durch einen losen e-Mail Kontakt, dessen Schwerpunke, unsere gemeinsame Liebe zu den Doors beinhaltet. Wie ich, ist auch Uwe der Tribute-Band aus Österreich innerlich sehr verbunden und nutzt diesen ersten Deutschland-Auftritt, um die Doors Experience endlich einmal live zu erleben und persönlich kennenzulernen. Genauso wie Gernot W. Freudenberger, der mit seiner Frau Helga aus dem Hessischen kommen will. Auch er gehört zum engsten Kern dieser besonderen Doors-Fangemeinde, die sich teils über das Internet kennengelernt hat.

 

Ebenfalls erwarte ich einige weitere wichtige Menschen aus der Mannheimer Doors-Szene und auch noch private Freunde, die aufgrund meiner Erzählungen schon lange gespannt den Doors Experience neugierig entgegenfiebern, so dass sicherlich an diesem Abend eine interessante, illustre und buntgemischte Doors-Anhängerschaft unterschiedlicher Generationen zusammenkommen wird.

Doch erst einmal gehe ich mit der Band hoch in das clubeigene Bistro, damit sich die Jungs vor ihrem Auftritt noch ein wenig stärken können. Die lange Fahrt von Österreich nach Heidelberg hat natürlich bei allen ihre Spuren hinterlassen und ich finde es eine durchaus beachtliche physische und psychische Leistung dann noch ein Konzert mit drei Sets zu abzusolvieren. Organisatorisch war das gesamte Unterfangen leider nicht anderes möglich, als am selben Tag des Auftritts anzureisen. Von Jason will ich vieles gleichzeitig wissen: wie die Fahrt verlaufen ist, zu welcher Uhrzeit sie in Heidelberg waren, ob sie arg kaputt sind, ob nach ihrer Ankunft im Club alles geklappt hat, ob die Betreuung gut ist usw. Jason berichtet, dass wohl von Seiten des Schwimmbad-Clubs nach Eintreffen der Band, so einiges ein wenig schief gelaufen, aber schnellstmöglich wieder in die richtigen Bahnen gelenkt worden war, so dass man dem Konzertbeginn getrost entgegenblicken konnte.

 

Etwa gegen 21:30h verlassen wir das Bistro und begeben uns zurück in den Konzertraum, der sich mittlerweile schon ein wenig gefüllt hat. Gernot ist inzwischen da und wird begrüßt und auch ich knüpfe in kürzester Zeit noch schnell einige neue Kontakte und lerne interessante Menschen kennen, die genau wie ich sehr daran interessiert sind, das Erbe der Doors weiter aufrecht zu erhalten. Jeder muss für sich herausfinden, was die Doors und Jim Morrison, diese vielschichtige Persönlichkeit, der hochbegabte Poet, für die eigne Person bedeuten. Jims Philosophie war, dass die wichtigste Form der Freiheit die Selbstverwirklichung darstellt, das sein zu können, was man wirklich ist.

Kurz vor 22h passieren viele Dinge gleichzeitig. Die Band wird gebeten nun langsam anzufangen und begibt sich auf die Bühne. Jason bekommt von mir noch in Windeseile ein winziges Morrison-Styling verpasst, das seine von Natur aus zufällige optische Ähnlichkeit mit dem Frontmann der Doors noch ein wenig unterstreicht. Jedoch in Anbetracht der Eile, geht nur das schnelle Mimimalprogramm. Für mehr bleibt keine Zeit. Die Band hat bereits mit den Takten des ersten Songs begonnen und Jason muss schleunigst raus auf die Bühne.Ich besorge mir nach all diesen ereignisreichen und spannungsgeladenen Minuten, nun erst einmal ein Glas Rotwein, das ich mir genüsslich einverleibe und lausche gleichzeitig gebannt den Songs, die mich sogleich in ihren Bann ziehen und mitwippen lassen. Die Konzertlocation ist noch nicht sonderlich gut besucht. Und diejenigen, die bisher da sind, stehen und sitzen vorerst nur hölzern an den Seiten herum und harren der Dinge, die da vielleicht noch kommen werden. Doch als ich mit den Augen einige der Gäste abscanne, entdecke offene, wache, interessierte und erwartungsvolle Gesichter unter den Zuhörern. Die Jungs auf der Bühne geben dennoch ihr Bestes, aber das Heidelberger Publikum bleibt erst einmal zurückhaltend. Im zweiten Set ändert sich das jedoch schlagartig.

Zwischen 22:30h und 23h strömen jede Menge weiterer „Doorsler“ oder solche, die zufällig mal in den Konzertraum schauen und hängen bleiben herein. Die Stimmung schraubt sich nach und nach hinauf und vereinzelte Zuhörer beginnen vor der Bühne zu tanzen. Auch ich gehöre zu den ersten, die es jetzt nicht mehr länger auf ihrem Stehplatz hält und die den kleinen Freiraum vor der winzigen Bühne nutzt, um sich zu bewegen. Nicht ganz unschuldig daran ist wohl auch mein zweites Glas Rotwein, das ich mir mittlerweile zu Gemüte geführt habe. Es erklärt, neben dem Doors-Sound als Motivation an sich, vielleicht auch meine Ausdauer beim Tanzen, die für den Rest des Abends, solange die Band auf der Bühne in Aktion ist, unermüdlich anhält. Bekannte und weniger bekannte Doors-Songs lösen sich gegenseitig ab und treiben die Stimmung im Publikum mehr und mehr an. Der Funke ist übergesprungen. Jeder bewegt sich in seinem eignen Tanzstil ausgelassen, skurril oder ekstatisch zu der Musik, während Jasons Silhouette Realität und Fiktion miteinander verschmelzen lässt. Unter den Tänzern im Publikum, fällt mir ein junger Mann auf, der ein klein wenig Ähnlichkeit mit Jim hat und der vom Kleidungsstil, seinen Tanzbewegungen und dem entrückten Zustand, genau wie die Doors Experience, geradewegs den wilden Sixties entstiegen schien. Der Lizard King dort oben auf der Bühne hat uns alle in seinen Bann gezogen und der hypnotische Sound setzt sich in unseren Köpfen fest und legt einen Teil des Unterbewusstseins frei.

Fans rufen Song-Wünsche auf die Bühne. Viele kennen die Texte und singen sie lauthals mit. Bei L.A. Woman treibt uns Jason zum spirituellen Höhepunkt und beim Roadhouse Blues kann man dieses besondere Gefühl, diesen musikalisch umgesetzten Hauch von Leben spüren. Die Vibes kommen bei uns an und tragen uns fort, in die Welt der Doors. Wir überschreiten mit Jason „Jim“ Boiler und seinen Doors Experience, die Grenzen zu Vergangenem und wieder zurück zu Gegenwärtigem, um sogleich erneut zurückkatapultiert zu werden in die turbulenten und rebellischen Sechziger. Ich bemerke auch, wie sich das Zusammenspiel der Doors Experience innerhalb der letzten zwei Jahre in denen ich sie nun nicht mehr gehört habe, weiterentwickelt hat und ausgereift ist.

Jasons Ähnlichkeit mit Morrison ist nicht zu übersehen und durch gewisse äußerliche Attribute zusätzlich unterstrichen. Er trägt ein schwarzes Hemd und eine schwarze Lederhose. Um die Hüften hat er den für Morrison typischen Concho Belt geschlungen. Braune halblange Locken umrahmen sein Gesicht. Er besitzt den nahezu gleichen sanften Bariton wie Jim, der Erinnerungen zurückbringt oder Sehnsüchte weckt und macht auch sonst seiner Morrison-Performance alle Ehre. Jason sucht die Verbindung zum Publikum, indem er sich zwischendurch mitten in die tanzende Menge begibt und ganz Morrison like, ab und zu mit weiblichen Fans flirtet. Dann wieder hüpft und springt er wie ein wild gewordener Derwisch auf der Bühne herum, wälzt sich auf dem Boden oder lässt sich gar bei Unknown Soldier symbolisch erschießen, um gleich darauf wieder putzmunter aufzuspringen, um seine Darbietung, die keineswegs aufgesetzt und künstlich wirkt, weiter fort zu führen. Wir erleben mit Jason während The End den ödipalen Alptraum und begleiten den Killer. Alles in allem verkörpert Jason Mr. Morrison mit der richtigen Portion dramatischem Flair gepaart mit einer gewissen Ehrlichkeit. Da ist der sensible und scheue Poet zu finden; der allwissende Schamane und das provozierende entfant terrible. Ich denke, die Performance von The Doors Experience, diese realitätsnahe Bühnen-Show hat auch den ein oder anderen Zweifler im Publikum bekehrt, der sich vielleicht nicht so recht vorstellen konnte, dass man die Doors überhaupt gut covern kann.

Auch die anderen Doors Experience erbringen hervorragende Leistungen an diesem Samstag Abend. Die 700 km Fahrt, die sie Stunden zuvor auf ihrem Weg von Österreich nach Deutschland hinter sich bringen mussten, merkt man ihnen nicht an. Mit diesem Hintergrundwissen achte ich ihre Leistung gleich doppelt und dreifach. Sie weben ein Gespinst aus Klängen um uns, das uns innerlich zum Schweben bringt. So manch einer im Publikum unterstützt dieses Schweben noch zusätzlich durch die Einnahme oder das inhalieren von illegalen Substanzen. Die Jungs sind im Laufe der Zeit zu einer musikalischen Einheit verschmolzen, das kann ich unschwer immer weniger leugnen und jeder einzelne von ihnen trägt seinen Teil zum großen Ganzen, zu diesem hervorragenden Doors-Tribut bei und lässt die Show somit zu etwas einzigartigem werden. Zu einem „Feast of friends“ und für uns Fans, welche die Doors niemals live erleben konnten (und das waren wohl die meisten von uns), wertvollen Juwel. Klaus entlockt seinem Fender Rhodes Piano und dem Keyboard diesen typischen Doors-Sound, der gewissen Songs diese besondere Aussagekraft verleiht. Christoph bearbeitet sein Schlagzeug mal sanft und dann wieder wild aggressiv und kraftvoll und ist am Ende vollkommen nassgeschwitzt und erledigt. René spielt mit großem Feingefühl nahezu magische Töne und macht Mr. Robby Krieger alle Ehre. Hermann ersetzt hervorragend Ray Manzareks linke Hand mit seinem Bassspiel.

Beim dritten und letzten Set hat Jason das schwarze gegen ein weißes Hemd ausgetauscht, das bis zum Bauchnabel aufgeknöpft ist. Er hängt sich noch schnell ein Glasperlenkettchen um, wie es einst Jim 1967, dargestellt als „junger Löwe“, während der berühmten Pin-up Fotostrecke von Joel Brodsky trug. Und noch einmal dürfen wir eintauchen in das Herz der Sixties und uns verzaubern lassen durch den originalgetreuen und hypnotisierenden Sound von The Doors Experience aus Österreich. Spätestens jetzt ist wohl auch den letzten im Publikum klar, dass Amerikas legendärste Rock-Band – The Doors – noch längst nicht durch ihre letzte Türe geschritten ist. Nach dem Konzert ist die engste Doors-Fangemeinde noch lange beieinander und tauscht sich aus, unterhält sich mit der Band, die ausschließlich lobende Worte erntet oder lässt diesen stimmungsvollen Abend, der uns allen sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird, noch einmal untereinander Revue passieren. Gute Tribute-Bands, bestückt mit hervorragenden Musikern, die den Songs der legendären Doors wieder neues Leben einhauchen, sind so wichtig, weil sie mit dazu beitragen, dass die Musik der Doors und die schillernde Persönlichkeit Jim Morrison niemals sterben werden. Und weil es nochmals etwas ganz anderes ist, diesen berauschenden Doors-Sound live zu hören.

Wir sind vergänglich, doch Jim Morrison bleibt auf ewig 27 Jahre; der junge und unbekümmerte Rebell, ein Kultbild aus purer Erotik gepaart mit Rock’n’Roll. Gemeinsam mit den Doors, wird er die Nacht immer wieder neu entflammen und jenseits von Raum und Zeit, unendlich weiterleben.

                                                                                                                                                         (Ó Anne, 2003)